Montag, 5. Januar 2009

TOMBA, der Kater vom Schwarenbach, ein Bergsteiger besonderer Art

Bild: Postkarte von TOMBA

Ende der Achtzigerjahre des zwanzigsten Jahrhunderts übertrafen sich die Massenmedien der ganzen Schweiz und im Ausland mit Meldungen über den bergsteigenden Kater vom Berghotel Schwarenbach am Gemmipass. Ungläubiges Staunen bewogen damals meinen Freund Willy, seine tierverrückte Tochter Kathrin und mich, uns an Ort und Stelle zu erkundigen. Was wir damals vom Hotelier Peter Stoller erfahren haben, übertraf dann unsere Erwartungen noch um Meilen. Und so soll es gewesen sein:

An einem stürmischen Herbstabend im Jahre 1987 ist im Schwarenbach eine Katze zugelaufen. Offenbar spürte sie, dass es am nächsten Tag schneien würde. Das liebenswürdige Tier fühlte sich daheim und wurde gern behalten. Im Sommer darauf bekam Tomassa, wie sie genannt wurde, männlichen Besuch, was nicht ohne Folgen blieb.

Am 7. August 1988 kam dann ein einziges überlebendes Junges zur Welt, ein richtiges Sonntagskind, aber auch mit Sorgen verbunden, verschwand doch die Mutter kurz nach der Geburt auf unerklärliche Weise, und man glaubte, das Kleine müsse sterben. Nach fünf Tagen kam Tomassa glücklicherweise zurück und liess von da an ihren Sohn keinen Augenblick mehr aus den Augen. Die Besitzer nannten den Kleinen Tomba, teils nach seiner Mutter und teils nach dem damals berühmten Skirennfahrer Alberto Tomba.

Kaum war der junge Kater marschtüchtig, machte er sich auch schon über Hügel und Gräte davon. Auf die Spittelmatte, aufs Schwarzgrätli, aufs Gällihorn, auf den Gemmipass und sogar die Gemmiwand hinunter nach Leukerbad. Immer wieder machte man sich Sorgen und rückte bei Wind und Wetter aus, um das Kätzchen in die heimatlichen Stuben zurückzuführen.

Eines Tages erfuhren die Hoteliers, dass der 10 Monate alte Tomba drei Bergsteiger bis auf den Gipfel des Rinderhorns (3453 m) begleitet hatte. Spätestens zu diesem Zeitpunkt war man sich bewusst, es mit einem richtigen Gipfelstürmer zu tun zu haben, der seinen Weg auch allein wieder nach Hause finden würde. Ein paar Tage später staunten andere Alpinisten, als Tomba ihnen sogar auf das Balmhorn (3699 m) Gesellschaft leistete.

Diese Touren wiederholte er mehrere Male und bei guter Wetterlage kehrte der Kater nicht einmal nach Schwarenbach zurück, sondern wartete am Gletscher bei der Anseilstelle auf seine nächste "Kundschaft". Immer wenn Bergsteiger im Schwarenbach übernachteten, freute er sich. Dann beschnupperte er deren Rucksäcke und wählte sich am Vorabend seine Gäste aus, um ihnen in der Frühe den Weg zu weisen.

Dann führte er eine Seilschaft zum Gipfel und begab sich anschliessend auf den Rückweg, lief aber mit einer anderen Gruppe nochmals hoch, hatte er doch seine Steigeisen immer bei sich. So bekam er gleich von mehreren Bergsteigern seinen Lohn in Form von Wurst und Käse.

Als Tomba einmal mit einem jungen Ehepaar unterwegs war, wollte er plötzlich nicht mehr weiter gehen und begab sich abseits hinten einen grossen Felsen. Die zwei Leute wunderten sich und folgten ihm, weil sie glaubten, die Katze hätte dort etwas entdeckt. Kurz darauf donnerte eine Lawine über ihre Aufstiegsspur, und die Hochgebirgler wurden so von Unheil bewahrt.

So hatte Tomba ein erfülltes Leben, und sein Ruhm reichte weit über die Landesgrenze hinaus. Japans Bergsteiger-Jahrbuch widmete ihm eine Doppelseite mit Bild. Südafrikas Wochenmagazin erzählte von ihm und in New York war er ebenfalls ein Begriff. Europas Bildzeitungen berichteten und das Schweizer Fernsehen filmte im Schwarenbach und sendete eine faszinierende Reportage mit eindrücklichen Bildern.

Der vierpfotige Bergsteiger weilte über vier Jahre im Schwarenbach, jeweils vom Frühling bis zum Herbst. Im Winter wurde er mit ins Tal nach Frutigen genommen.

Am 17. Januar 1993 kam für Tomba die letzte Stunde. Er und seine Mutter mussten eingeschläfert werden. Beide litten an "Katzenaids", wie man damals sagte, also an Immunschwäche.









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